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Kindesunterhalt in Abitur-Lehre-Studium-Fällen abwehren bzw. beanspruchen

Wochenkurier 2017Der Bundesgerichtshof hatte im Mai dieses Jahres im fol­genden (leicht abgeänderten Fall) zu entscheiden:
Die im Jahr 1984 geborene uneheliche T echter begehrte von ihrem Vater Kindesun­terhalt. Diese hatte im Jahr 2004 ihr Abitur mit einem Notendurchschnitt von 2,3 bestanden. Ihr Wunsch war es schon damals, nach dem Abitur Medizin zu studieren. Von diesem langjährigen Wunsch wusste der Vater aber nichts.

Letztmalig ge­troffen hatte er seine Tochter, als diese 16 Jahre alt war. Nach dem Abitur schrieb der Vater seine Tochter an und teilte mit, dass er davon ausgehe, dass er nach dem bestandenen Abitur keinen Unterhalt mehr zahlen müs­se. Sollte dies anders sein, so möge sie sich bei ihm melden. Dies tat sie nicht. Da der Notendurchschnitt für die Aufnahme eines Medizinstu­diums aber nicht ausreichte, nahm die T achter zunächst im Februar 2005 eine Aus­bildung als anästhesietech­nische Assistentin auf, die sie im Januar 2008 mit einer Gesamtnote von 1,0 ab­schloss. Während dieser Zeit bewarb sie sich aber durch­gängig für die Aufnahme des Medizinstudiums. Erst zum Semester 2010/2011 wurde sie an der Hochschule an­genommen. In der Zeit von 2008 bis 201 0 arbeitete sie in dem erlernten Beruf wei­ter. Mit der Aufnahme des Studiums begehrte die fast 26jährige Tochter vom Vater Kindesunterhalt.
Gemäß dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) schuldet ein Unterhaltspflichtiger sei­nem Kind eine Berufsaus­bildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den be­achtenswerten Neigungen des Kindes am bestens entspricht und sich in den Grenzen der wirtschaftli­chen Leistungsfähigkeit der Eltern hält. Eltern, die ihrem Kind eine solche Berufsaus­bildung gewährt haben, sind grundsätzlich nicht mehr verpflichtet, Kosten einer weiteren Ausbildung zu tra­gen. Ausnahmen sind aber natürlich im Einzelfall zu prüfen. Eine fortdauernde Unterhaltspflicht kommt dann in Betracht, wenn die weitere Ausbildung zweifels­frei als eine bloße in engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehende Weiterbildung zu dem bis­herigen Ausbildungsweg anzusehen ist und von vorn­herein angestrebt war. Grob zusammengefasst, sind Voraussetzungen für einen solchen Kindesunterhalts­anspruch bei einem mehr­stufigen Ausbildungsweg u. a. ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen Lehre und Studi­um sowie Zumutbarkeit der Finanzierung eines Studi­ums für die Eltern bzw. für den Elternteil. Letzteres setzt dabei voraus, dass die Eltern oder der jeweilige El­ternteil über den verfolgten Ausbildungsweg des Kindes in Kenntnis gesetzt wurden / wurde (Gegenseitigkeits­prinzip).
In dem vorliegenden Fall be­stand ein sachlicher Zusam­menhang zwischen Lehre (anästhesietechnische Assi­stentin) und Studium (Medi­zin). Auch bestand ein zeit­licher Zusammenhang. Nach dem Abitur hatte die T echter die Lehre aufgenommen und bis zum Einstieg ins Studium weitergeführt. Nach dem Gegenseitigkeitsprinzip hätte es aber der T echter oblegen, dem Vater als Unterhalts­schuldner mitzuteilen, dass sie schon immer ein Medizin­studium aufnehmen wollte. Auf sein damaliges Schrei­ben hatte sie nicht reagiert. Der Kindesvater musste also nicht mehr damit rech­nen, dass die Tochter für ihre Ausbildung noch Ansprüche geltend macht. Hätte sie da­mals ihrem Vater ihren Be­rufswunsch mitgeteilt, würde sie höchstwahrschlich gegen ihren Vater einen Anspruch auf Kindesunterhalt haben. Allgemein ist aber auch zu beachten, dass der unter­haltspflichtige Elternteil im Einzelfall auch eine Verzö­gerung der Ausbildungszeit hinnehmen muss, die auf ein vorübergehendes Versagen des Kindes zurückzuführen ist (z. B. Verlängerung der Ausbildung wegen nichtbe­standener Prüfung). Im Ge­genzug obliegt es aber auch dem Kind, die Ausbildung mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemes­sener und üblicher Zeit zu beenden.

 

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Rechtsanwältin Stefanie Lange von der Kanzlei Lange & Seifert

erschienen  in der 28. KW/ 2017 im Wochenkurier Lokalverlag GmbH & Co. KG

 

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